Blaue Bioökonomie bedeutet unter anderem, das Element „Wasser“ von übermäßigem Nährstoffeintrag zu entlasten und gleichzeitig so nachhaltig und profitabel wie möglich zu wirtschaften. Im BMBF-geförderten Innovationsraum „Bioökonomie auf Marinen Standorten“ (BaMS e.V.) stellen sich spezialisierte Konsortien aus Forschung und Industrie in Form von Forschungsprojekten den Herausforderungen aus dieser Themenwelt.
Ein hochgradig interdisziplinäres Projekt aus diesem Innovationsraum ist ÖkoPro, geleitet von Sascha Hermus vom Niedersachsen Netzwerk Nachwachsende Rohstoffe und Bioökonomie e.V. (3N).
„Wir werden Abwärme, CO2 und bislang problematische wassergelöste Nährstoffe aus dem Oberflächenwasser von Biogasanlagen mit Mikroalgen zu möglichst hochwertiger Biomasse umwandeln und nutzen“, so Hermus über die Ziele des Projekts.
Neu ist hierbei vor allem die Verwertungsabsicht der Mikroalgen-Biomasse, die im Projekt ÖkoPro über den Einsatz als Substrat in Biogasanlagen oder Düngemittelzusatz hinausgehen soll. Welche Verwertungsmöglichkeiten genau in Frage kommen, wird mit Hilfe der Toxikologie der CAU zu Kiel geklärt werden. Die Voruntersuchungen der Arbeitsgruppe rund um Prof. Dr. Edmund Maser zeigen zumindest schon mal gute Reinigungsergebnisse aller getesteten „Problemwasser“ aus der Klär- und Landwirtschaft. Zulassungen für den Petfood oder Naturkosmetik – Bereich sind somit auf jeden Fall denkbar. Fachkundige dieser Branchen, nämlich die Microganic GmbH aus Melle und das Kieler Unternehmen oceanBASIS, sind für die Untersuchung der Algen-Einsatzmöglichkeiten im Projekt verantwortlich.
(Bild oben: Svenja Starke, Microganic)
„Von der Idee bis zum bioökonomischen Produkt ist es ein langer Weg“, erklärt auch Algenexperte Prof. Dr. Rüdiger Schulz aus dem Botanischen Institut der Kieler Universität. „Die Wahl der richtigen Algenart wird entscheidend sein.“ An ihr bemisst sich die Umwandlungsrate toxischer Stoffe und die Verwertbarkeit der Biomasse.
Auch die Gestaltung des Mikroalgen-Reaktors ist entscheidend für Wachstum und Ertrag der Algenernte, also somit auch für die erwartete Reinigungsleistung. Ein bis heute absoluter Nischenmarkt, der kaum Lösungen „von der Stange“ anbietet.
Das Team von ÖkoPro traf sich deshalb Ende April 2022 in Plauen (Sachsen) beim Kunststoff-Spezialisten Andreas Spranger. Voller Gastfreundschaft wurde das 11-köpfige Konsortium aus halb Deutschland vor Ort empfangen und herumgeführt.
Highlight des Treffens war die Demonstration des (zur Dichtigkeitsprüfung mit Leitungswasser gefüllten) Prototyp des „Tannenbaums“ – einer von Dr. Martin Ecke (GICON) vorgestellten neuartigen Produktionseinheit in der Mikroalgenkultur.
(Bild oben: Dr. Martin Ecke, GICON)
„Die spiralig angeordnete Tannenbaumform hat den Vorteil, den Lichteinfall im Vergleich zu linear angeordneten Röhrenreihen optimaler zu nutzen“ erklärt Ecke, fachbereichsleitender Ingenieur der Firma GICON. Ein ständiges Problem der landbasierten Mikroalgenzucht, nämlich übermäßige Wärmeproduktion durch die Energieentstehung bei der Fotosynthese, wird im Tannenbaum simpel wie genial gelöst: Die Kunststoffspirale ist ein doppelwandiger Schlauch, durch den ein zweiter Kreislauf Kühlwasser leitet. Schon wenige Grad Unterschied bringen bei Algen bereits große Effekte. Möglicherweise kann mit diesem System die Produktivität der Anlage auch in den Wintermonaten aufrechterhalten werden.
Im nächsten Projektschritt wird der Mikroalgenreaktor auf dem Gelände der Biogasanlage B.E.S. in Bad Bentheim installiert und in Betrieb genommen werden. Wie gut die Reinigungsleistung dann wirklich sein wird, und was für Nebenstromprodukte daraus genau entstehen werden, bleibt gespannt abzuwarten. Die Projektlaufzeit geht bis Ende 2024.